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Schleswig-Holstein

Biodiversitätsfreundliches Straßenbegleitgrün

Mähen und Biodiversität – ein Widerspruch?

Letzte Aktualisierung: 11.07.2025

Die Straßenmeistereien des LBV.SH unterhalten rund 8.670 ha Rasenflächen. Gemäß § 18a des Straßen- und Wege-Gesetzes Schleswig-Holstein (StrWG SH) soll Straßenbegleitgrün so erhalten und gestaltet werden, dass es sich naturnah entwickeln kann. Seine Unterhaltung soll auf die Bedeutung als Teil der Biotopverbundsysteme ausgerichtet werden.

In den Intensivbereichen – das sind die Bereiche ungefähr zwei bis vier Meter neben der Fahrbahn – überwiegt die Verkehrssicherheit, also Freihalten von Verkehrs- und Sicherheitsräumen, Sicht, Entwässerung, Standfestigkeit, an Rastplätzen die Nutzbarkeit als Aufenthaltsfläche. Sie sind kurz und dicht zu halten und eignen sich weniger für biodiversitätsfördernde Maßnahmen.

Ein blaublühende Pflanze neben einer Straße.
Die Kornblume ist ein heimisches Kraut, das sich auch entlang der Straßen wohlfühlt.

Alle anderen Rasenflächen zählen zum Extensivbereich. Hier können ökologische Ziele in den Vordergrund treten. Auch diese Flächen sind jedoch zwingend regelmäßig zu mähen, da nur so der Lebensraum „Offenlandfläche“, beziehungsweise „Extensives Grünland“ mit seinen darauf abgestimmten Pflanzen- und Tierarten erhalten werden kann. Durch Anpassungen in der Pflege (Mähzeitpunkte, Schnitthöhe, wechselndes Belassen von Altgrasbeständen, Mähgutaufnahme) und naturschonende Mähgeräte kann in diesen Bereichen die Biodiversität gefördert werden.

Der LBV.SH führt zur Erreichung einer ökologisch und ökonomisch optimierten Pflege der Rasenflächen des Straßenbegleitgrüns seit 2023 ein Projekt im Rahmen der Biodiversitätsstrategie des Landes (Kurs Natur 2030) durch. Die ersten Ergebnisse sind positiv, so dass das Projekt derzeit fortgeführt und ausgeweitet wird.

Mähen und Biodiversität – kein Widerspruch!

Was versteht man unter Biodiversität?

Biodiversität beschreibt die biologische Vielfalt:

  • Artenvielfalt: Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten
  • Genetische Vielfalt: Varianten innerhalb der jeweiligen Arten – je größer die genetische Vielfalt, desto besser kann die Art sich an sich ändernde Lebensbedingungen anpassen
  • Ökosystem-Vielfalt: Vielfalt an Lebensräumen – je mehr unterschiedliche Lebensräume zur Verfügung stehen, desto mehr unterschiedliche, speziell an diese Lebensräume angepasste Arten können sich entwickeln und ansiedeln

Was versteht man unter Biotopverbund?

Biotopverbund oder Biotopvernetzung bedeutet, dass verschiedene Biotope (Lebensräume) miteinander in der Art verbunden sind, dass eine Vernetzung verschiedener Populationen möglich ist. Zwischen gleichartigen Lebensräumen liegende Flächen müssen überwindbar sein, damit ein wechselseitiger Individuenaustausch (genetische Vielfalt!) möglich ist.

Straßen werden in der Regel vor allem in ihrer zerschneidenden Wirkung wahrgenommen. Insbesondere sehr breite und / oder stark befahrene Straßen erschweren ein Überqueren und Wandern in die Lebensräume auf der anderen Straßenseite. Biotopvernetzung kann hier durch den Bau von Querungshilfen wie Tiertunneln und Grünbrücken erleichtert werden.

Die straßenbegleitenden Grünflächen haben aber ebenfalls eine verbindende Funktion und tragen zur Biotopvernetzung bei. Pflanzen und Tiere finden hier Lebensräume und Nahrung – frei von Pestiziden und Dünger und in der Regel nur seltenen Störungen. Eine Ausbreitung in andere Lebensräume und eine Vermischung mit anderen Populationen kann entlang des Straßennetzes erfolgen. Das Straßenbegleitgrün stellt daher einen wichtigen Bestandteil der Biotopvernetzung dar.

Welche Grundlage hat das Projekt „Biodiversitätsfreundliches Straßenbegleitgrün“?

Das Land Schleswig-Holstein hat sich mit der Biodiversitätsstrategie „Kurs Natur 2030“ zum Ziel gesetzt die Artenvielfalt im Land zu steigern und den Erhalt, die Wiederherstellung und die Vernetzung von Lebensräumen voranzutreiben. Der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr war als Landesbehörde aufgefordert sich mit eigenen Projekten an der Strategie zu beteiligen. Das Projekt „Biodiversitätsfreundliches Straßenbegleitgrün“ hat zum Ziel, unter Berücksichtigung ökologischer, betrieblicher und wirtschaftlicher Belange Pflegekonzepte zu entwickeln, die zu einer Aufwertung von Extensiv-Rasenflächen führen und dort einer Vielzahl von Blühpflanzen und Tieren, insbesondere Insekten, eine Heimat geben. Das Projekt wurde 2023 auf ausgewählten Flächen der Straßenmeisterei Westerrönfeld gestartet und wird nach und nach auch auf andere Straßenmeistereibezirke ausgeweitet.

Wie sieht die geänderte Grünpflege aus? 

Das Projekt „biodiversitätsfreundliches Straßenbegleitgrün“ verfolgt verschiedene Ansätze zur Aufwertung von Extensiv-Rasenflächen. Zum einen werden verschiedene biodiversitätsfreundliche Mähgeräte erprobt. Diese schneiden das Gras statt es zu schlegeln (mulchen). Zudem erfolgt der Schnitt in einer größeren Höhe (10 bis 15 Zentimeter statt 4 bis 8 Zentimeter) und die Geräte erzeugen keine Sogwirkung. All dies begünstigt das Überleben von Insekten und anderen bodennah lebenden Tieren während der Mahd. Die Projekt-Flächen werden einmal jährlich in der Zeit zwischen Juli und September gemäht. Damit haben die vorkommenden Blühpflanzen genug Zeit um auszusamen. Außerdem wird so ein Überwinterungshabitat für Insekten geschaffen.

Je nährstoffarmer der Boden ist, desto artenreicher ist im Regelfall die angesiedelte Pflanzen- und somit auch Tierwelt. Das Mulchen mit Belassen der Mahd führt meist zu einer Nährstoffanreicherung, was die konkurrenzstarken Gräser gegenüber den Blüh-Kräutern begünstigen kann. Im Projekt wird daher das Schnittgut aufgenommen. Die naturschonenden Mähgeräte verfügen über geänderte Fördertechniken und Führung der Luftströme, so dass Tiere und Saatgut nicht vom Boden angesaugt werden. Es verhindert zudem ein Ansaugen von Abfällen und Bodenpartikeln, was zu einer sehr guten Qualität des Mähguts führt.

Zusätzlich zur geänderten Pflege werden Teilbereiche mit gebietseigenem Saatgut neu angesät. Die Saatgutmischungen werden hierbei auf die vorhandenen Nähstoffverhältnisse abgestimmt. Es soll ermittelt werden, ob auf diese Weise nachhaltig artenreichere Flächen erzeugt werden können, oder ob die Art der Pflege ausschlaggebend ist.

Durch die naturschonenden Mähgeräte, vor allem aber durch die größere Schnitthöhe ergibt sich ein unregelmäßigeres Schnittbild. Das ist also richtig so und kein Fehler beim Mähen oder am Gerät. Auch ausgelassene Bereiche - als Inseln oder in wechselnden Abschnitten oder Streifen - sind Absicht und sollen Rückzugsorte bieten. Wenn Sie auf diese „unordentlichen“ Bereiche stoßen, ist dies also ein Grund zur Freude, denn hier wird Biodiversität gefördert.

Das hat sich so schön entwickelt! Warum wird das jetzt zerstört?

Häufig wird Unverständnis geäußert, wenn der LBV.SH blühende Rasenflächen mäht. Zum Erhalt dieser Flächen und ihres Artenreichtums ist die regelmäßige Mahd jedoch unabdingbar, vor allem in der Zeit der Gräserblüte! Nur auf diese Weise können aufkommende Gehölze und die konkurrenzstarken Gräser zurückgedrängt werden. Nur so bleibt der Lebensraum „Offenlandfläche“, beziehungsweise „Extensives Grünland“ mit seinen darauf abgestimmten Pflanzen- und Tierarten erhalten. Die Mahd der Gräser- und Kräuterfluren hält die Landschaft frei, gewährleistet, dass das Sonnenlicht den Boden erreicht, und begünstigt den Reichtum an blühenden Kräutern.

Dass wir überhaupt blühende Flächen mähen können, ist der beste Beweis dafür, dass durch – und nicht trotz! – der langjährige Pflege des LBV.SH blüten- und artenreiche Rasenflächen entstehen und erhalten werden können.

Dies betrifft im übrigen auch Gehölzflächen und Knicks – nur durch regelmäßiges „Auf-den-Stock-setzen“ der Bestände können diese Lebensräume dauerhaft erhalten werden, denn nur auf diese Weise erhält man bodennah dichte Gehölzflächen, die als Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten so wichtig sind. Nicht umsonst wurde die so geartete Knickpflege 2023 als immaterielles Kulturgut von der UNESCO anerkannt. 

Lohnt sich der ganze Aufwand?

Zugegebenermaßen ist der Aufwand, den wir mit den naturschonenden Mähmethoden betreiben, deutlich höher. Die Mähgeschwindigkeit ist geringer, auch die Wartung der Technik und die Logistik für den Abtransport des Grünschnitts sind zeit- und kostenaufwändig. Zudem müssen die Straßenmeistereien mit zusätzlichen Geräten ausgestattet werden.

Dem gegenüber steht jedoch die Möglichkeit, dass durch die Reduktion von Nährstoffen im Boden und das damit verbundene Zurückdrängen stark wüchsiger Gräser insgesamt weniger gemäht werden muss. Auch das ist eine Frage, die das Projekt klären soll. 

Zudem ist der Nutzen für die Allgemeinheit nicht zu unterschätzen. Der Biotopverbund – auch mit Flächen außerhalb der Straßen, das „grüne Band“ – wird gefördert, es werden Lebensräume geschaffen, erhalten und vernetzt, die einer Vielzahl von Lebewesen dienlich sind. Der Grünschnitt kann auf verschiedenste Weisen verwertet werden und idealerweise fossile Ressourcen ersetzen.

 

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