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Täterbiografien – wie Polizisten zu Tätern wurden

Letzte Aktualisierung: 08.08.2025

In der Bezirkskriminalinspektion Kiel erinnert ein Ensemble aus einem Buntglasfenster und drei Namenstafeln an 269 im Zweiten Weltkrieg gefallene Polizeiangehörige. Jahrzehntelang wurde dieser Ort als Würdigung der erbrachten Opfer der Kieler Polizisten verstanden. Nachdem auffiel, dass unter den Namen auch bekannte nationalsozialistische Gewaltakteure gelistet waren, begann die Abteilung Regionalgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in Kooperation mit der Landespolizei die Hintergründe des „Ehrenmals“ und der Namen zu erforschen. Die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes sind in der Bezirkskriminalinspektion in Kiel ausgestellt. Die Ausstellung kontextualisiert den Gedenkort neu.

Es folgen eine historische Einordnung des Gedenkortes und seiner Entstehungsgeschichte, Hintergründe zur schleswig-holsteinischen Polizei und ihren Verbrechen im Nationalsozialismus sowie damit einhergehende Kontinuitäten nach 1945. Es werden Forschungsergebnisse zu Namen der Gefallenen aufgezeigt und diese werden Opferbiografien, wie die des Rechtsanwalts Friedrich Schumm, gegenübergestellt. Die Ausstellung gibt Impulse zur (Selbst-)Reflexion der Vergangenheit und dem Umgang mit polizeigeschichtlichen Gedenkorten. Sie stellt das damalige „Ehrenmal“ der heutigen Aufarbeitung gegenüber und fragt nach Erinnerungskultur und Verantwortung in der Gegenwart.

Nicht von allen 269 Namen, die auf den Holztafeln in der Bezirkskriminalinspektion Kiel zu finden sind, konnten im Laufe der Recherchen detaillierte Daten ausfindig gemacht werden. Dennoch ergeben sich acht Biografien, die den Querschnitt vom Verlauf eines Polizisten zum Täter genauer aufzeigen können und beispielhaft zeigen, dass verschiedene Dienstgrade, -stellen sowie Werdegänge vertreten sind.

Diese Liste ist nicht abschließend. Bei neuen Forschungsergebnissen werden hier weitere Informationen veröffentlicht.

Joachim Meyer-Quade

bereits 1925 NSDAP-Mitglied und Mitbegründer der SA in Schleswig, war ab 1934 Polizeipräsident in Kiel. Am 9. November 1938 initiierte er telefonisch aus München die Pogrome gegen jüdische Einrichtungen in Schleswig-Holstein. Er meldete sich zu Kriegsbeginn freiwillig und starb im September 1939 als Oberleutnant.

Karl-Heinz Jungen

Schutzpolizist im Bataillon 316, war vermutlich an Erschießungen im Osten beteiligt. Nach seinem Tod 1941 rächte die Wehrmacht sein Sterben mit der Ermordung von Zivilist*innen.

Wolfgang von Seidlitz

ohne NSDAP-Mitgliedschaft, war Mitglied der Hitlerjugend, NS-Autor und Oberwachtmeister bei der Schutzpolizei. Er starb an den Folgen eines Granatsplitters.

Kurt Aurich

seit 1937 NSDAP- und SS-Mitglied, war Beamter in Rendsburg und starb 1944 bei einem Luftangriff auf Kiel.

Kurt Litka

engagierte sich früh im NS-Umfeld, trat 1932 der NSBO und später der SA bei und war ab 1940 in Kiel und der SS aktiv. Er starb 1944 in einem Lazarett in Breslau.

Konrad Herrmann

Vorsteher des 4. Polizeireviers in Kiel, wurde 1932 NSDAP- und 1933 SA-Mitglied. 1941 erhielt er eine Auszeichnung von Hitler persönlich. Er starb 1944 bei einem Luftangriff.

Reinhold Jörke

zunächst SPD-Mitglied, wurde 1933 entlassen, später aber wiedereingestellt und ab 1940 Teil eines SS-Regiments. Er starb 1944 an seinen Kriegsverletzungen.

Gerhard Schwabe

Revier-Oberwachtmeister aus Essen, kehrte 1945 nach Fronteinsatz in den Norden zurück. Am Güterbahnhof Meimersdorf schoss er auf mutmaßliche „Plünderer“ und verletzte oder tötete mehrere als „Ausländer“ bezeichnete Menschen. Er wurde verhaftet, aus dem Dienst entlassen und starb später in sowjetischer Gefangenschaft.

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