Naturschutzrecht
Was ist zu beachten, wenn die Gemeinde über einen festgestellten Landschaftsplan verfügt?
Liegen Landschaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g) Baugesetzbuch vor, sind deren Bestandsaufnahmen und Bewertungen in der Umweltprüfung heranzuziehen (§ 2 Absatz 4 Satz 6 Baugesetzbuch).
Die zur Übernahme geeigneten Inhalte der Landschaftspläne und Grünordnungspläne sind nach Abwägung im Sinne des § 1 Absatz 7 Baugesetzbuch in den Flächennutzungsplan beziehungsweise in den Bebauungsplan zu übernehmen.
Sollen Darstellungen des Flächennutzungsplanes oder Festsetzungen des Bebauungsplanes von der Landschaftsplanung abweichen, sind die Abweichungen in der Begründung zu erläutern (§ 9 Absatz 5 Satz 3 Bundesnaturschutzgesetz ).
Sind artenschutzrechtliche Bestimmungen in der Bauleitplanung zu beachten?
Der artenschutzrechtliche Prüfungsmaßstab für Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 Baugesetzbuch, während der Planaufstellung nach § 33 Baugesetzbuch und im Innenbereich nach § 34 Baugesetzbuch bestimmt sich nach § 18 Absatz 2 i.V. m. § 44 Absatz 5 Bundesnaturschutzgesetz. Die Verbotstatbestände des § 44 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz sind vor allem bei der Verwirklichung von Bauvorhaben anwendbar. Sie erfassen – wie bei Eingriffen in gesetzlich geschützte Biotope – im Regelfall nur die tatsächliche Vorhabenverwirklichung, nicht dagegen deren planerische Vorbereitung durch die Bauleitplanung. Dennoch bedarf es im Rahmen der planerischen Vorbereitung von Vorhaben einer Berücksichtigung in der Abwägung. Der Gemeinde obliegt es bereits im Rahmen der Planaufstellung, das Eintreten von Verbotstatbeständen durch entsprechende Maßnahmen als hinreichend sicher ausschließen zu können.
Für Vorhaben nach § 30, § 33 und § 34 Baugesetzbuch gelten die artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 Bundesnaturschutzgesetz nur für die in Anhang IV a und b der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie aufgeführten Tier- und Pflanzenartenarten sowie für alle europäischen Vogelarten (vergleiche § 44 Absatz 5 Sätze 1 bis 4 Bundesnaturschutzgesetz ). Ein Verstoß gegen das Verbot nach § 44 Absatz 1 Nummer 3 Bundesnaturschutzgesetz liegt nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird (§ 44 Absatz 5 Satz 2 Nummer 3 Bundesnaturschutzgesetz ).
Die Gemeinde kann neben Vermeidungsmaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen auch vorgezogene funktionserhaltende Ausgleichsmaßnahmen (sogenannte CEF-Maßnahmen = Continuous Ecological Functionality) festsetzen.
Die rechtlichen Mindestanforderungen an die Bauleitplanung bleiben hinter den Anforderungen des speziellen Artenschutzes im Baurecht zurück. Während im Baurecht im Grundsatz eine Ermittlung von Betroffenheiten auf Einzelartenniveau erforderlich ist, genügt auf der Ebene der Bauleitplanung für eine fehlerfreie Abwägung der Artenschutzbelange ein indikatorischer Ansatz.
Bauleitpläne, denen nicht ausräumbare Hindernisse des Artenschutzes im Baurecht gegenüberstehen, sind nicht vollziehbar; sie sind daher nicht erforderlich im Sinne des § 1 Absatz 3 Baugesetzbuch.
Die Angaben über die Berücksichtigung des speziellen Artenschutzes sind im Umweltbericht niederzulegen. Die Qualität der Aussagen zu diesem Themenkreis ist in erheblichem Maße abhängig von der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde insbesondere im Rahmen der Beteiligung nach § 4 Absatz 1 Baugesetzbuch. Erforderlich ist neben der Übermittlung vorhandener Kenntnisse über den Bestand europarechtlich geschützter Arten auch eine Relevanzprüfung in Form einer projektspezifischen Abschichtung des prüfungsrelevanten Artenspektrums. Auszuscheiden sind damit diejenigen Arten, bei denen eine Betroffenheit durch die Bauleitplanung nach gegenwärtigem Wissensstand und auf der Basis allgemein anerkannter Prüfmethoden nicht angenommen werden kann. Eine bloß theoretische Betroffenheit reicht nicht.
Den zu untersuchenden Rahmen sollte die Gemeinde in Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde frühzeitig und bezogen auf das Projekt abstecken.
Detaillierte Angaben und Beispiele zur Berücksichtigung des Artenschutzes sind in den Hinweisen zur Beachtung des Artenschutzes bei der Planfeststellung des Landesbetriebs für Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (Stand 2012) enthalten. Inhaltlich gelten diese Aussagen auch im Bauplanungsrecht.
Artenschutz bei der Planfeststellung
Sind fachrechtliche Genehmigungen oder deren Inaussichtstellung im Bauleitplanverfahren erforderlich?
Das Bundesverwaltungsgericht kommt in seinem Beschluss vom 25.08.1997 – 4 NB 12/97 zu dem Ergebnis, dass ein Bebauungsplan mit Festsetzungen, deren Verwirklichung den artenschutzrechtlichen Verboten des § 20 f Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz (aalte Fassung = § 44 Absatz 1 bis 3 Bundesnaturschutzgesetz 2009) widerspricht, auch dann genehmigungsfähig sein kann, wenn eine Befreiung (noch) nicht vorliegt. Die Genehmigungsfähigkeit soll nur entfallen, wenn abzusehen ist, dass eine Befreiung nicht erteilt werden wird. Nach Ansicht des Gerichts richtet sich das naturschutzrechtliche Verbot nicht an die planende Gemeinde, sondern an die Bauherrin oder den Bauherrn. Es sei letztlich seine Sache, die Befreiung zu erwirken, um die Festsetzungen des Bebauungsplanes ausnutzen zu können. Zwischenzeitlich sind die artenschutzrechtlichen Befreiungstatbestände als Ausnahmetatbestände in § 45 Absatz 7 Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen worden.
Diese Rechtsprechung ist auf die Planung von Vorhaben in gesetzlich geschützten Biotopen, in Schutzstreifen an Gewässern (§ 35 Landesnaturschutzgesetz), in Überschwemmungsgebieten (§ 76 Landeswassergesetz), an der Küste (§ 82 Landeswassergesetzes), in Waldflächen sowie in Waldabstandsflächen (§ 24 Absatz 1Landeswaldgesetzes) und bei der Betroffenheit von Denkmälern sowie im Umgebungsschutzbereich von Denkmälern (§ 12 Denkmalschutzgesetz Schleswig-Holstein) übertragbar. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass vorstehende Aufzählung nicht abschließend ist, sondern nur häufiger auftretende Fallkonstellationen berücksichtigt. Nach dem oben angeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts muss für die Fortführung der Planung eine "Befreiungslage" gegeben sein.
Es genügt, wenn die zuständige Behörde eine Ausnahme oder Befreiung in Aussicht stellt oder förmlich nach § 108a Landesverwaltungsgesetz zusichert. Dagegen reicht es nicht, wenn die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Stellungnahme als Behörde oder sonstiger Träger öffentlicher Belange zu einer ihren Interessen entgegenstehenden Planung keine Bedenken äußert oder schweigt.
Sollen Landschaftsbestandteile, die durch gemeindliche Satzung nach § 18 Absatz 3 Landesnaturschutzgesetz (zum Beispiel Baumschutzsatzung) geschützt sind, überplant werden, empfiehlt es sich gleichermaßen, bereits im Planaufstellungsverfahren notwendige Entlassungen aus der Unterschutzstellung zu bewirken.
Was ist bei der Bauleitplanung zu beachten, wenn das Plangebiet innerhalb eines Landschaftsschutzgebietes liegt?
Grundsätzlich wird in solchen Fällen eine frühzeitige Abstimmung mit den zuständigen Fachbehörden empfohlen, um planungsrelevante Belange möglichst rechtzeitig zu ermitteln und in die Planentwürfe einbringen zu können.
Die Planung von Bauflächen in einem unter Landschaftsschutz gestellten und dadurch mit einem Bauverbot belegten Gebiet ist nur zulässig, wenn die Flächen zuvor, spätestens aber im Rahmen des Aufstellungsverfahrens des Flächennutzungsplanes rechtswirksam aus dem Landschaftsschutz entlassen worden sind (vergleiche Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.10.1999 – 4 C 1/99).
In solchen Fällen, in denen eine Ausnahme oder Befreiung vom Bauverbot erteilt werden kann, reicht eine Inaussichtstellung durch die untere Naturschutzbehörde. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Entscheidung im Einzelfall, die in Abhängigkeit des jeweiligen Schutzzwecks und der konkret festgelegten Bauverbote mit der unteren Naturschutzbehörde abzustimmen ist.
Störfallbetriebe
Wofür ist ein angemessener Sicherheitsabstand erforderlich?
Gemäß § 50 Bundes-Immissionsschutzgesetz sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU (Seveso-III-RL) in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete, insbesondere öffentlich genutzte Gebiete, wichtige Verkehrswege, Freizeitgebiete und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete und öffentlich genutzte Gebäude, so weit wie möglich vermieden werden. Dieses Abstandsgebot ist insbesondere auf der Planungsebene zu berücksichtigen. Einzelne Begrifflichkeiten hierzu werden in § 3 Absatz 5a – 5d Bundes-Immissionsschutzgesetz legal definiert; zum Beispiel der Begriff „angemessener Sicherheitsabstand“ in § 3 Absatz 5c Bundes-Immissionsschutzgesetz.
Wie ist ein angemessener Sicherheitsabstand zu ermitteln?
Als Hilfestellung zur näheren Bestimmung des angemessenen Abstandes kann auf den Leitfaden 18 der Kommission für Anlagensicherheit "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach Störfallverordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung – Umsetzung § 50 Bundes-Immissionsschutzgesetz" SFK/TAA-GS-1 (www.kas-bmu.de) zurückgegriffen werden. Eine Verwaltungsvorschrift "TA Abstand" nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 Bundes-Immissionsschutzgesetz zur näheren Festlegung eines angemessenen Sicherheitsabstandes zwischen Betriebsbereichen und Schutzobjekten befindet sich in der Erarbeitung. Diese wird allerdings keine unmittelbare Wirkung auf die Bauleitplanung entfalten, sondern wird sich insbesondere an die Zulassungsbehörden im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren richten, um dieser im Beteiligungsverfahren Hinweise zu geben, ob und wenn ja in welchem Umfang eine "nachvollziehenden Abwägung" im Genehmigungsverfahren einen entsprechenden Planungsausfall kompensieren kann.