I. Grundsatz
Der Freiversuch kommt den Prüflingen zugute, die sich
- nach ununterbrochenem Studium bis zum Abschluss des siebten Fachsemesters zur Prüfung gemeldet haben
oder - nach ununterbrochenem Studium und erfolgreichem Abschluss der universitären Schwerpunktbereichsprüfung bis zum Abschluss des achten Fachsemesters zur Prüfung gemeldet haben
und
die das Prüfungsverfahren ohne Unterbrechung beenden, da eine solche dem Freiversuch infolge Zeitablaufs grundsätzlich entgegensteht (vgl. BT-Drs. 12/2280 zu § 5 Abs. 5 DRiG).
Die maßgebliche Frist für den Eingang des Zulassungsantrags beim Justizprüfungsamt ist demnach das Semesterende, d.h. der letzte „Werktag“ (Montag bis Freitag) im März bzw. im September eines jeden Jahres.
Für die Berechnung der Frist für den Freiversuch ist der Zeitpunkt ausschlaggebend, zu dem erstmals eine Immatrikulation für den Studiengang Rechtswissenschaften an einer Hochschule im Bundesgebiet erfolgt ist. Vorherige Einschreibungen in anderen Studienfächern, ein Auslandsstudium oder Ausbildungen im gehobenen nichttechnischen Dienst bleiben außer Betracht, es sei denn, es ist auf Antrag eine Anrechnung auf die juristische Fachsemesterzahl erfolgt oder Sie wollen Leistungen aus dieser Zeit als Zulassungsvoraussetzungen anerkennen lassen.
Wird die Prüfung im Rahmen des Freiversuchs nicht bestanden, gilt sie als nicht unternommen, § 22 Absatz 1 JAVO.
Der Freiversuch kann nur einmal in Anspruch genommen werden.
II. Nichtanrechnung von Zeiten
Eine Gewährung des Freiversuchs in einem höheren als dem 7. bzw. 8. Fachsemester ist nach der JAVO nur ausnahmsweise vorgesehen.
Die Entscheidung, ob bestimmte Zeiten bei der Berechnung der Frist für den Freiversuch unberücksichtigt bleiben, trifft das Justizprüfungsamt. Die in § 22 Absatz 3 JAVO im einzelnen aufgeführten Gründe sind abschließend. Auf § 22 Abs. 4 Satz 3 JAVO (keine doppelte Berücksichtigung desselben Zeitraums) wird besonders hingewiesen.
Ein entsprechender Antrag ist gemäß § 22 Absatz 3 JAVO grundsätzlich schriftlich unter Beifügung einer aktuellen Studienbescheinigung und aller Unterlagen, die zum Nachweis der Voraussetzungen notwendig sind, beim Justizprüfungsamt einzureichen. Einfache Kopien sind ausreichend. Damit Sie Ihr Studium in zeitlicher Hinsicht verlässlich planen können, sollten Sie Ihren Antrag auf Nichtberücksichtigung von Studienzeiten bei der Berechnung der Frist für den Freiversuch möglichst frühzeitig stellen.
Studierende, die möchten, dass das Sommersemester 2020 aufgrund des Erlasses des Ministeriums für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein vom 15. Mai 2020 und/oder das Wintersemester 2020/2021 aufgrund des Erlasses des Ministeriums für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein vom 20. Januar 2021 und/oder das Sommersemester 2021 aufgrund des Erlasses des Ministeriums für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein vom 12. Mai 2021 und /oder das Wintersemester 2021/2022 aufgrund des Erlasses des Ministeriums für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein vom 24. Februar 2022 bei der Berechnung ihrer Anmeldefrist für den Freiversuch unberücksichtigt bleibt, haben den Antrag gemäß § 22 Absatz 3 Ziffer 1 JAVO auf Nichtberücksichtigung des Sommersemesters 2020, des Wintersemesters 2020/2021, des Sommersemesters 2021 und des Wintersemesters 2021/2022 ausnahmsweise erst zusammen mit dem späteren Zulassungsantrag einzureichen.
Diese Erleichterung gilt nicht, wenn auch andere Nichtberücksichtigungstatbestände (Ziffer 1 bis 8) geltend gemacht werden können. In diesem Fall sind diese Anträge – auch hinsichtlich des Sommersemesters 2020, des Wintersemesters 2020/2021,des Sommersemesters 2021 und des Wintersemesters 2021/2022 – vorab schriftlich zu stellen.
III. Einzelne Gründe und die benötigten Nachweise
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Persönliche Gründe
Nach § 22 Absatz 3 Nr. 1 JAVO können Studienzeiten unberücksichtigt bleiben, in denen der Prüfling nachweislich wegen schwerer Krankheit oder aus einem anderen wichtigen, nicht in der Person des Prüflings liegenden Grunde beurlaubt oder längerfristig am Studium gehindert war.
Liegt eine Beurlaubung durch die Universität vor, reicht die Vorlage des Studienbuches mit der entsprechenden Eintragung aus, sofern der Eintrag den Grund der Beurlaubung erkennen lässt. Ist dies nicht der Fall, so bedarf es noch eines gesonderten Nachweises, aus welchem Grund die Beurlaubung erfolgt ist. Dieser Nachweis kann beispielsweise durch eine Bescheinigung der Universität erbracht werden.
Liegt keine Beurlaubung durch die Universität vor, bedürfen die im Antrag angeführten Gründe der Glaubhaftmachung. Je nach Art der Gründe kommen hier die unterschiedlichsten Nachweise in Betracht (z.B. Vorlage eines ärztlichen Attestes im Falle der schweren Erkrankung).
Für das Sommersemester 2020, das Wintersemester 2020/2021, das Sommersemester 2021 und das Wintersemester 2021/2022 wird zur Glaubhaftmachung auf die Beifügung der Erlasse des Ministeriums für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein vom 15. Mai 2020, vom 20. Januar 2021, vom 12. Mai 2021 und vom 25. Februar 2022 verzichtet.
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Auslandsstudium
Bei der Berechnung der Semesterzahl bleibt nach § 22 Absatz 3 Nr. 2 JAVO ein Auslandsstudium bis zu zwei Semestern unter folgenden Voraussetzungen unberücksichtigt:
a) Einschreibung an einer ausländischen Universität für das Fach Rechtswissenschaft und
b) Erwerb von mindestens einem fremdsprachigen Leistungsnachweis je Semester in einer juristischen Disziplin.
Bei Teilnahme an einem Austauschprogramm (z.B. Erasmus) ist die üblicherweise von der inländischen Universität im Anschluss an das Auslandsstudium ausgestellte Teilnahmebescheinigung einzureichen. Anderenfalls sind die Zeugnisse und gegebenenfalls weitere Bescheinigungen der ausländischen Universität vorzulegen, aus denen sich folgende Informationen entnehmen lassen:
wissenschaftliches Studium
Zeitraum des Studiums
Zeitpunkt der Prüfung
Art und Thema der Prüfung
Ergebnis der Prüfung.
Weitere wichtige Informationen zum Auslandsstudium finden Sie auf dieser Homepage unter der Rubrik "
Auslandsstudium".
- Gremien- und sonstige Tätigkeiten
Nach § 22 Absatz 3 Nr. 3 JAVO können bis zu zwei Semester einer nachgewiesenen Tätigkeit in gesetzlich vorgesehenen Gremien oder satzungsmäßigen Organen der Hochschule oder des Studentenwerkes unberücksichtigt bleiben.
Das Justizprüfungsamt entscheidet in diesen Fällen aufgrund der jeweils aktuellen Empfehlung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät und einer Bescheinigung des betreffenden Gremiums oder Organs über die Art und den Zeitraum der ausgeübten Tätigkeit. -
Mutterschutz
Nach § 22 Absatz 3 Nr. 4 JAVO bleiben bei der Berechnung der Frist für den Freiversuch Studienzeiten unberücksichtigt, in denen nachweislich ganz oder teilweise Zeiten des Mutterschutzes lagen.
Der Nachweis ist durch Vorlage einer Geburtsurkunde oder einer ärztlichen Bescheinigung zu erbringen.
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Elternzeit
Ferner bleiben nach § 22 Absatz 3 Nummer 5 JAVO bei der Berechnung der Frist für den Freiversuch Studienzeiten unberücksichtigt, in denen der Prüfling in entsprechender Anwendung von § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes eine Elternzeit in Anspruch nehmen könnte und von der Universität vom Studium beurlaubt war.
Zum Nachweis reicht die Vorlage des Studienbuches mit der entsprechenden Eintragung, sofern der Eintrag den Grund der Beurlaubung erkennen lässt. Ist dies nicht der Fall, so bedarf es noch eines gesonderten Nachweises, dass die Voraussetzungen des § 15 des Erziehungsgeldgesetzes erfüllt sind.
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Europarechts- oder wirtschaftsorientierte Zusatzausbildung und fachspezifische Fremdsprachenausbildung
Ein Semester kann nach § 22 Absatz 3 Nummer 6 JAVO bei der Berechnung der Freiversuchsfrist unberücksichtigt bleiben, wenn der Prüfling nachweislich studienbegleitend eine europarechts- oder wirtschaftsorientierte Zusatzausbildung oder eine fachspezifische Fremdsprachenausbildung, die sich über mindestens sechzehn Semesterwochenstunden erstreckt hat, an einer inländischen Universität erfolgreich abgeschlossen hat.
Der Nachweis über den erfolgreichen Abschluss ist durch eine Bestätigung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu erbringen, an der die Ausbildung abgeschlossen wurde.
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Schwerbehinderung
Nach § 22 Absatz 3 Nummer 7 JAVO bleiben des Weiteren bei der Berechnung der Frist für den Freiversuch Semester unberücksichtigt, die als angemessener Ausgleich für unvermeidbare und erhebliche Verzögerungen im Studium, die Folge einer schweren Behinderung des Prüflings sind.
Diese Voraussetzungen sind durch den Ausweis nach § 69 Absatz 5 SGB IX und ein unverzüglich einzuholendes amtsärztliches Attest nachzuweisen, das die für die Beurteilung nötigen Befundtatsachen und einen Vorschlag für die Dauer der nicht zu berücksichtigenden Zeiten enthält.
- Sonstige Gründe
Ein Semester kann nach § 22 Absatz 3 Nummer 8 JAVO aus einem anderen wichtigen Grund aufgrund eines Beschlusses der Fakultät, der diesen Grund anerkennt, bei der Berechnung der Frist für den Freiversuch unberücksichtigt bleiben. Die Entscheidung trifft das Justizprüfungsamt. Das Justizprüfungsamt ist nicht an den Beschluss der Fakultät gebunden. Als ein anderer wichtiger Grund kommt z.B. die Teilnahme an einem fremdsprachigen Moot-Court in Betracht.
IV. Zusammentreffen mehrerer Gründe
Die Gesamtdauer der nach § 22 Absatz 3 Nummer 2, 3, 6 und 8 JAVO unberücksichtigt bleibenden Studienzeiten darf den Zeitraum von zwei Jahren nicht übersteigen. Derselbe Zeitraum kann nur einmal unberücksichtigt bleiben. In nicht zu berücksichtigenden Zeiten - außer im Sommersemester 2020, im Wintersemester 2020/2021, im Sommersemester 2021 und im Wintersemester 2021/2022 (Corona) - dürfen grundsätzlich weder Prüfungen noch Zulassungsvoraussetzungen erbracht werden (§ 22 Abs. 4 JAVO).
V. Weitere Auskünfte
Sollten Sie noch Fragen haben, die durch dieses Merkblatt nicht beantwortet werden, steht Ihnen das Justizprüfungsamt für Auskünfte während unserer täglichen Sprechzeiten und am
Sprechtag des Justizprüfungsamtes Schleswig in der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in der CAU gern zur Verfügung.